Direktorin Dr. Claudia Pfrang thematisiert die Rolle der Christ:innen in der Veränderung der Welt zum Besseren und die zentrale Bedeutung der Hoffnung in diesem Prozess. Politische und gesellschaftliche Kämpfe sowie Angst vor Krisen prägen die aktuelle Stimmungslage, während die Hoffnung immer mehr verloren geht. Frau Dr. Pfrang zieht aus Byung-Chul Hans Werk die Inspiration, dass Hoffnung, anders als Optimismus, auch Verzweiflung umfasst und ein aktives Handeln erfordert. Doch die Kraft der Hoffnung ist und bleibt, insbesondere in schwierigen Zeiten, essenziell. Pfingsten, als Fest der Hoffnung, steht vor der Tür und kann uns allen jetzt Mut zum Handeln und für eine Veränderung geben.
Zu Beginn meiner Tätigkeit bei der Domberg-Akademie hatte ich eine Veranstaltung unter dem Titel geplant „Christ:innen als Wandlungskünstler:innen“. Sie kam nicht zustande, da ich den gewünschten Referierenden nicht dazu gewinnen konnte. In letzter Zeit beschäftigt es mich besonders intensiv, wie Christ:innen dazu beitragen können, dass sich die Welt wandelt, zum Besseren verwandelt, soll doch – das war damals der Ausgangsgedanke meiner Idee - jeder Gottesdienst ein Wandlungsgeschehen sein. Also uns Kraft geben, hinauszugehen in die Welt.
Dass sich unsere Welt wandeln muss im Großen und im Kleinen, wird immer deutlicher und stößt in weiten Teilen der Gesellschaft auf Zustimmung. Gleichzeitig toben erbitterte politische und gesellschaftliche Kämpfe darum, wie das geschehen kann und soll. Nicht die Hoffnung auf Wandlung bestimmt unsere derzeitige Stimmungslage, sondern eher die Angst und die bewusste Instrumentalisierung dieser Angst durch rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen: Angst vor Krieg und Klimakatastrophe, Angst vor Abstieg, Angst, nicht mithalten zu können und abgehängt zu werden. Wenn die Angst überhandnimmt, dann vereinzelt sie und macht einsam, Angst führt in die Enge und lässt die Möglichkeiten am Horizont nicht sehen.
Wie blicken wir hoffnungsvoll in die Zukunft? Indem wir Hoffnung haben! Das ist leicht gesagt (und hier geschrieben). Doch was zeichnet die Hoffnung aus? Ich bin dabei auf das anregende Buch des Philosophen Byung-Chul Han gestoßen, das soeben erschienen ist, sein Titel: „Der Geist der Hoffnung wider die Gesellschaft der Angst“.
Treffend schreibt er: „Überall fehlt es an Hoffnung (…) Vor lauter Problemlösen und Krisenmanagement verkümmert das Leben: Es wird zum Überleben. Die kurzatmige Überlebensgesellschaft gleicht einem Kranken, der mit allen Mitteln versucht, den nahenden Tod abzuwenden. Doch erst die Hoffnung lässt uns jenes Leben zurückgewinnen, das mehr ist als Überleben. Sie spannt den Horizont des Sinnhaften auf, der das Leben wieder belebt und beflügelt. Sie schenkt uns Zukunft.“
Genau danach ist die Sehnsucht groß: Nach Leben, das nicht nur Überleben ist, nach Tagen, die beflügeln und beleben. Doch wie kommen wir zu Hoffnung? Sie ist nicht selbstverständlich. Im Gegensatz zum Optimismus, der immer alles positiv sieht, gehört zur Hoffnung, so Byung-Chul Han, die Verzweiflung dazu, beide seien wie Berg und Tal. Und er zitiert Nietzsche: „Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens, hundertmal vom Gischt verschlungen und sich immer von Neuem zusammensetzend, und mit zarter schöner Kühnheit ihn überspringend, dort wo er am wildesten und gefährlichsten braust.“
Ein wundervolles Bild, das deutlich macht, wie zart die Hoffnung ist. Aber mit Hoffnung im Herzen kann man sich den reißenden Bächen des Lebens entgegenstellen. Hoffnung setzt sich den Widrigkeiten des Lebens aus, blendet diese Seite nicht aus, aber verzweifelt nicht.
Trotz
Sie trotzt der Angst
Sie trotzt dem Unwirtlichen
Sie trotzt der Verzweiflung
Trotz Risiko dem Leben trauen
Trotz Risiko weitergehen
Trotz Risiko in die Ferne blicken
Die Hoffnung trotz allem
Belebt und beflügelt
Schenkt Zukunft
CLAUDIA PFRANG
Hoffnung ist eine Lebenshaltung, die jedoch immer wieder genährt werden muss. Bei allem, was uns bedrängt und ängstigt, bei allem Wahr- und Ernstnehmen der Realitäten und düsteren Zukunftsprognosen, können wir immer wieder den Blick richten auf die zarten Regenbögen in unserem Leben, die am Horizont auftauchen. Die reißenden Bäche des Lebens nicht verleugnen, aber stets getragen sein vom Glauben, dass alles ganz anders werden kann.
Von der Hoffnung können wir sprechen und erzählen. Es macht Freude, meine Hoffnungsgeschichten mit anderen zu teilen. Und: Manchmal muss Hoffnung auch „herbeigerufen“ werden, wie Byung-Chul Han es nennt: Hoffnung entsteht durch Handeln. Indem wir tun, auch wenn wir nicht wissen, wohin es uns führen wird, auch wenn es mit Risiko verbunden ist. Paulus spitzt es noch zu, wenn er schreibt: „Gegen alle Hoffnung hat er [Abraham] voll Hoffnung geglaubt“ (Röm 4,18). Hoffnung ist eine Grundsignatur des Christseins, also auch dann zu hoffen, wenn es nach allem menschlichen Ermessen keinerlei Anlass zur Hoffnung gibt.
Hoffen ist die Leidenschaft für Neues mit dem Wagnis zum Risiko. Das ist doch das, was wir gerade brauchen! Es ist ein tiefes Vertrauen darin, dass es weitergeht - gerade in schwierigen Situationen. Hoffnung entzieht sich jeder Prognostik und Verfügbarmachung. Daher ist sie so kostbar.
Pfingsten ist ein durch und durch hoffnungsvolles Fest. Die Bibel erzählt davon, wie die Jünger:innen verzagt im Obergemach in Jerusalem zusammensaßen und plötzlich bewegt werden und hinaus gehen. Sie haben wieder Hoffnung gefunden. Diese Kraft ist so stark, dass sie verändern kann – die Jünger:innnen und die Menschen um sie herum. Menschen können in der Vielfalt zusammenkommen und sich verstehen. Diese Hoffnung, dass das gelingt – die ist nötiger denn je. Sich dafür in einer sich immer mehr spaltenden Gesellschaft und Welt einzusetzen, ist dringlicher denn je. Eine „zarte Kühnheit“. Erzählen wir sie weiter und bleiben Sie hoffnungsvoll!
Ihre Claudia Pfrang