Die Kirchensteuer ist ein kontroverses Thema, besonders in Zeiten, in denen die Bedeutung der Kirchen in der Gesellschaft schwindet und sie für immer mehr Menschen im Alltag kaum mehr Relevanz hat. Wie steht es um die Zukunft der Kirchensteuer? Passt sie noch in unsere Zeit? Und wie könnten mögliche Alternativen aussehen? Wir sprachen mit Prof. Dr. Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Universität Münster und Direktor des Instituts für Kanonisches Recht.
Domberg-Akademie: Starten wir mit einer Bestandsaufnahme: Die Zahl der Kirchenmitglieder:innen sinkt, da viele Menschen den Bezug zur Institution Kirche verloren haben. Auch aufgrund des demografischen Wandels fallen vermehrt Einnahmen für die Kirche weg, da viele Rentner:innen keine Steuern zahlen. Herr Schüller, wie steht es heute um die Kirchensteuer?
Prof. Dr. Thomas Schüller: Noch steht es relativ stabil um die Kirchensteuer, weil sie als Annexsteuer zur Lohn- und Einkommenssteuer an dem wirtschaftlichen Aufschwung nach der Coronakrise partizipiert. Zudem sind sehr viel getaufte Kirchensteuerzahler:innen aus der sogenannten Babyboomergeneration noch in Brot und Arbeit und verdienen in der Regel gut. Das wird sich ab 2030 allein schon durch den demografischen Faktor deutlich verändern.
Was würde ein Wegfall der Kirchensteuer für die Kirche bedeuten?
Sie müsste von jetzt auf gleich auf ein Spenden- und Kollektensystem umsteigen und diesen Übergang zudem mit dem in den letzten Jahrzehnten kumulierten Vermögen zweckgebunden möglichst sozialverträglich gestalten, denn die meisten Arbeitsplätze innerhalb der Kirche würden bei Wegfall der Kirchensteuer verschwinden.
Wie reich ist die (katholische) Kirche wirklich? Auf welche Geldmittel kann sie setzen?
Sie müssen zwischen den laufenden Kirchensteuereinnahmen, die den aktuellen Haushalt zu großen Teilen finanzieren, und den Vermögen der Kirchengemeinden, der Bistümer, der Domkapitel und der Bischöflichen Stühle unterscheiden. Gerade was die Vermögen angeht, gibt es zwischen den 27 deutschen Bistümern sehr große Unterschiede.
Zudem muss beim Vermögen in Blick auf Immobilien geschaut werden, was wirtschaftlich zu nutzen ist und welche Immobilien eher Last als Sicherheit sind. In der Summe ist die deutsche Kirche im weltkirchlichen Vergleich sicher eine sehr vermögende Kirche.
Wie transparent ist die (katholische) Kirche bzgl. ihrer Geldmittel bzw. inwiefern müsste Kirche transparenter mit ihren Mitteln umgehen?
Transparenz ist nach den Finanzskandalen in Limburg und Eichstätt sicher ein Gebot der Stunde und in den letzten Jahren ist hier viel unternommen worden, diese Transparenz herzustellen.
Was spricht für eine weitere Finanzierung kirchlicher Arbeit aus Steuermitteln und was dagegen?
Darüber werden wir bei den beiden Veranstaltungen sehr genau und sicher auch kontrovers diskutieren. Nur soviel: Das Kirchensteuersystem sorgt für relativ verlässliche Einnahmen und damit Planungssicherheit. Andererseits macht es auch seltsam satt und träge und viele treue kirchenferne wie nahe Katholik:innen, die Kirchensteuer zahlen, fragen sich, was eigentlich mit ihrem Geld geschieht.
Hier schafft ein Spenden- und Kollektensystem eine größere Identifikation und auch die Notwendigkeit in der Pastoral, Qualität abzuliefern. Hier sind aktuell große Defizite zu beobachten, weil es faktisch hierüber wie sonst in allen anderen Systemen üblich keine Qualitätskontrolle gibt.
Vielen Dank für das Interview!
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