In sozialen Netzwerken eingebunden zu sein, entlastet und gibt Kraft. Netzwerkorientierung bedeutet, aktiv nach Hilfe und Unterstützung zu suchen
In der COPSY-Studie wurden mehr als 1000 Kinder und Jugendliche sowie mehr als 1600 Eltern befragt.
Die Befragten bilden die Bevölkerungstruktur von Familien mit Kindern im Alter von 7-17 Jahren ab
der befragten Kinder fühlen sich laut Untersuchung in der Corona-Krise belastet
Die aktuelle COPSY-Studie (mehr dazu) zeigt, dass es hauptsächlich kontaktfreudige, sozial kompetente und extrovertierte Jugendliche sind, die auf die Pandemieeinschränkungen verstärkt mit klinisch relevanten Depressionen reagieren. Ich finde diesen Befund durchaus plausibel.
Extrovertierte Jugendliche sind es unter normalen Umständen gewohnt, ihr Leben mit anderen zu organisieren, in Netzwerken zu leben. Da gibt es die Schulclique, die Jugendgruppe, die Freundinnen im Sportverein. Sie sind es gewohnt, Unterstützung bei anderen zu holen. Sie haben immer jemanden, den oder die sie fragen können. Für sie fällt jetzt all das weitgehend weg und sie erleben den Mangel so eklatant, dass auffallend viele daran psychisch erkranken.
So geht es nicht nur den Jugendlichen. Durch alle Lebensalter ist es eine Kraft spendende und entlastende Ressource, wenn man sich in sozialen Netzen eingebunden weiß.
Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, stellt die Ergebnisse der bundesweiten COPSY-Studie vor – einer Studie zum psychischen Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie.
Netzwerke knüpfen und pflegen wird dann zu einem Schlüssel zu mehr Resilienz, wenn sie mit einer anderen Fähigkeit verknüpft ist: mit der Fähigkeit, sich aktiv Unterstützung holen zu können.
Fällt es Ihnen leichter, jemanden um Hilfe zu bitten oder jemandem zu helfen?
Helfen ist etwas Schönes. Es hinterlässt ein gutes Gefühl. Menschen, die anderen helfen wollen, sind die Basis allen freiwilligen Engagements. Jedoch sehen wir immer wieder, dass es viel mehr hilfewillige als hilfesuchende Menschen gibt. So schossen im 1. Lockdown Einkaufshilfen wie Pilze aus dem Boden – und mussten oft enttäuscht feststellen, dass es dafür gar nicht die entsprechende Nachfrage gab. Helfen kann auch ein Gefühl der Macht geben und das beruhigende Gefühl, ein Guthabenpolster zu haben.
Die höhere Kunst ist es für die meisten, um Hilfe zu bitten. Denn das zeigt uns verletzlich und bedürftig.
Doch lebendige soziale Netzwerke brauchen beides. Helfende und Hilfesuchende erleben in ihrer Austauschbegegnung einen Moment der Verbundenheit. Die Qualität von Netzwerken kommt insbesondere dann ins Spiel – Achtung: nächste Herausforderung! – wenn die hilfesuchende Person nicht gleich im Kopf hat, wie sie dem anderen die Hilfe „heimzahlen“, also ausgleichen kann, sondern sich mit einem schlichten „Danke“ begnügt. Denn dann kann die Qualität von Netzwerken wirken: mit dem Vertrauen, dass es einen Ausgleich irgendwo anders in den Knotenpunkten des Netzes geben wird und damit das ganze Netz insgesamt ausbalanciert ist.
Genau betrachtet, setzt das Bitten um Hilfe Vertrauen in sich selbst und Vertrauen in andere voraus, während der oder die Helfende aus ihrer Wohltat Anerkennung bezieht. So kann die Hilfe suchende Person als die eigentlich starke gesehen werden, die dem Gegenüber zu einem guten Gefühl verhilft. Ein Netzwerk braucht beide Seiten. In der Interaktion entsteht Dankbarkeit.
Üben wir uns darin, einander um Hilfe zu bitten, in dem Wissen, dass wir damit entscheidend dazu beitragen, das soziale Miteinander kraftvoll zu gestalten.
Die Hilflosigkeit als Stärke – welches Motiv würde besser in die Karwoche passen?
Ich lade Sie ein, dieses Motiv der Karwoche immer wieder in den Alltag zu übernehmen: halten Sie aktiv nach Gelegenheiten Ausschau, in denen Sie jemanden um Unterstützung bitten können. Dies unter den Einschränkungen der Pandemie zu tun, ist eine weitere Herausforderung, ergibt aber auch neue Möglichkeiten und regt Ihre Fantasie an.
Sie werden vielleicht auch einmal ein „Nein“ hören, das gehört dazu. Doch Sie werden staunen, wie gern Ihnen geholfen wird und wie Ihre Frage einen zauberhaften Moment der Verbundenheit und Dankbarkeit auslöst. Und überlegen Sie nicht gleich, wie Sie die Hilfe zurückzahlen. „Bezahlen“ Sie mit einem kleinen großen Danke.