Wie schaffen wir es, mehr Menschen für den Klimaschutz zu begeistern? Dass die vielen Einzelnen zu Verbündeten werden, um sich so verbindlich für rasche, wirkungsvolle und nachhaltige Veränderungen einzusetzen? Am 3. Diözesanen Nachhaltigkeitstag der Erzdiözese München und Freising gab es bewegende und bedenkenswerte Impulse, die zum Handeln aufrufen, findet Direktorin Dr. Claudia Pfrang.
Mit 11 Jahren hat sie gespürt und erfahren, dass sie Teil von etwas Größerem ist. Damals war sie zusammen mit ihrer Mutter bei einer Anti-Atomkraft-Demo in Berlin. Da beschloss sie Klimaaktivistin zu werden, so Sarah Hadj Ammar beim Vortrag auf dem 3. Diözesanen Nachhaltigkeitstag der Erzdiözese München und Freising am 19.06.2021.
Alle großen Vorbilder – wie Martin Luther King, Mahatma Ghandi oder Mutter Theresa – waren immer Teil einer Community: Nur gemeinsam werden wir die Welt retten können, so ihre Überzeugung. Doch wie kann es gelingen, mehr und mehr Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen und zum Handeln zu bewegen?
Verbündete können wir nur gewinnen, wenn wir Verbindungen schaffen, wenn wir unsere Geschichten teilen, wenn auch wir bereit sind, von unseren Sorgen und Ängsten zu erzählen. Und Sarah Hadj Ammar fragte in den Raum: Was fühlst du, wenn du an diese Klimakrise denkst? Verbindungen schaffen Verbindlichkeit. Dies geht nur im Dialog. Menschen werden nur dann Teil einer Bewegung sein, wenn sie sich verstanden fühlen.
Wir müssen laut Sarah Hadj Ammar unsere eigene Verletzlichkeit annehmen und uns selbst verletzlich machen. Nur wer sensibel ist für das Leid des Anderen, das Leid unseres Planeten, wird dagegen aufstehen. Jeden Tag sterben bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten auf unserem Planeten unwiderruflich aus. Stellen wir uns doch dieses Leid vor!
Wir leiden, so ergänzt der Philosoph und Theologe Jürgen Manemann, an zu viel Realitätssinn und haben angesichts des unglaublichen Leids unseres Planenten keine Tränen mehr in den Augen. Tränen in den Augen zu haben, ist aber der Beginn einer Revolution für das Leben, erläutert Manemann mit Verweis auf seine Fachkollegin Eva von Redecker. Einer Revolution, die nicht zerstört, sondern rettet.
Wo bleiben hier die Christinnen und Christen? Müssten sie nicht viel mehr an der Seite der Aktivist:innen sein? Dieses Leid der Schöpfung offenbaren und anklagen?
Der Zustand der Welt ist eine Beleidigung Gottes und Manemann fragt an: Wo ist meine Kirche? Hat sie sich schon aus der Welt verabschiedet? Diese Revolution für das Leben darf die Kirche nicht verpassen. Sie muss sich tief verwurzeln in dem, was geschieht. Ganz konkret fordert er: Kirche muss ein neues Verhältnis zu ihren Besitztümern einnehmen und den Klimanotstand in der Kirche ausrufen. Und weiter: Sie muss alle Gläubigen in die Pflicht nehmen. Das Christsein muss, wie zu seinen Anfängen, wieder zu einer revolutionären Praxis werden. Das verlangt viel, vielleicht zu viel, denn sie verlangt, von vielem Gewohnten Abschied zu nehmen. Was kann und muss ich lassen? Das ist die Grundfrage an jede und jeden Einzelnen. Aber es ist der einzige Weg: Unseren bisherigen Lebensstil radikal loszulassen und darauf zu vertrauen, dass gerade daraus Neues entstehen kann.
Wir leben in befristeter Zeit. Uns bleiben noch ca. 5-7 Jahre zum Umsteuern. Ohne radikalen Einsatz vieler, die das Ruder buchstäblich herumreißen, wird es uns nicht gelingen, den Kurs zu ändern und die Erde zu retten. Es braucht den Ungehorsam, radikales christliches Engagement im Sinne einer ökosozialen Transformation zur Rettung der Schöpfung. Hier sind alle gefragt.
„Wer sein Leben retten will, muss es verlieren.“ (Markus 8,35) Dies ist die Hoffnung unseres Glaubens, die eine solche revolutionäre Praxis prägen sollte. Die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Diese ist nicht einfach zu haben, der Preis ist hoch: Das alte Leben gilt es zu verlieren, aber die Aussicht auf eine neue Erde sollte uns das wert sein!
„Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2 Korinther 5,17)
Wir wünschen Ihnen Mut und Entschlossenheit, jetzt für das Leben aufzustehen!
Ihre Dr. Claudia Pfrang
PS: Wer Sarah Hadj Ammar und Prof. Jürgen Manemann live sehen und hören möchte, findet ihre Vorträge vom 3. Diözesanen Nachhaltigkeitstag hier.