Zeichen der Hoffnung: Dr. Claudia Pfrang zieht Resümee zur zweiten gemeinsamen Synodalversammlung der katholischen Kirche in Deutschland. Kann der Synodale Weg die Kirche in die Zukunft führen? Trotz vieler positiver Eindrücke bleiben viele Fragen offen.
Die zweite gemeinsame Synodalversammlung der katholischen Kirche in Deutschland hatte viel zu bieten: unzählige Textvorlagen mit Änderungswünschen im „Antragsgrün“, überwältigende Zustimmungswerte, viele Emotionen und offene Rede, authentische Redebeiträge und kontroverse Meinungen, bewundernswerte Disziplin und Durchhaltevermögen der Synodalen – doch leider nicht bis zum Schluss.
Dieser Verlauf war bei aller Enttäuschung, dem Ärger und der Wut, den die Synodalen ausgelöst durch die letzten Entscheidungen aus Rom zur Synodalversammlung nach Frankfurt mitgebracht hatten, nicht unbedingt vorhersehbar. Das Präsidium tat gut daran, all dem zu Beginn trotz eines vollen Fahrplans Raum zu geben. Alles in allem lässt sich resümieren: Der Synodale Weg ist auf dem Weg, aber längst noch nicht am Ziel.
Die Mehrheit der Synodalen tragen die Reformen mit. Sollten die Texte und Handlungsvorschläge aus den Foren in den nächsten Synodenversammlungen die 2/3 Mehrheit der Synodalen und die 2/3 Mehrheit der Bischöfe (die als Sperrklausel notwendig ist) bekommen, dann ist das ein wichtiger Schritt nach vorne. Ein Schritt zu einer Kirche der Zukunft, getragen von echter struktureller Partizipation, geteilter Verantwortung, einer neuen Rolle der Bischöfe, von Transparenz und Kontrolle. Dass bis dahin noch ein herausfordernder Weg zu gehen ist, wurde ebenfalls in den letzten Tagen deutlich.
Denn nicht alle können sich mit dieser Form von Synodalität anfreunden, die später – so sieht es der Handlungstext „Gemeinsam beraten und entscheiden“ vor – auf Pfarrei- und Diözesaneben mit einem Synodalen Rat strukturell gefasst werden soll. Eine Synodalität, die demokratische Standards nicht unterläuft und Maß nimmt an der Menschenwürde, wie es bei der Diskussion um Macht und Gewaltenteilung formuliert wurde, ist für mich ein wesentlicher Baustein hin zu einer glaubwürdigen Kirche.
Synodalität braucht eine lebendige Konfliktkultur. Prof.in Julia Knop brachte es zu Beginn im Blick auf so manche Alternativtexte auf den Punkt: „Synodalität bewährt sich im Prozess und nicht neben dem Prozess.“ Sie braucht die ernsthafte Debatte – diese gab es, wenngleich dies bei einer solchen Tagesordnung und in einem solchen Forum nicht immer eingelöst werden konnte. So schadet es dem Prozess nicht, dass er um eine weitere Vollversammlung erweitert wird. Denn die Fülle der zu diskutierenden Grundlagentexte und Handlungsvorschläge waren enorm.
Eines haben die Debatten der Vollversammlung klar gezeigt: Die Offenheit und Freiheit der Rede tun dieser Kirche, die von der Freiheit des Christen spricht, gut. Dahinter wird es kein Zurück mehr geben. Und dass sich auch Bischöfe, wie Konstantin Bischoff uns bei der Liveveranstaltung am 1.10. berichtete, aus der Deckung gewagt haben, zeigt, dass auch sie gemeinsam ringen.
Immer dann, wenn diese freie Rede gewagt wurde, sei es vom Sprecherteam des Betroffenenbeirats, von den jungen Vertreterinnen aus den Verbänden und auch von so manchem Bischof, gewann diese Versammlung an Dichte und Authentizität – das ist der erste Schritt, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Hier schadet es, wenn Würdenträger im Angesicht der Betroffenen eine entwürdigende Sprache wählen.
Vom 30.09.-2.10.2021 fand in Frankfurt die zweite Synodalversammlung statt. Live aus Frankfurt zugeschaltet waren u.a. Martina Kreidler-Kos, Weihbischof Wolfgang Bischof, Konstantin Bischoff und Tillmann Kleinjung, der als Kommentator das Geschehene und Gesagte einordnete.
Diese Synodalveranstaltung setzte weitere neue Maßstäbe: mit einem Grundlagenpapier, das neben Bibel, Tradition und Lehramt die Geschichte der Menschen und die Zeichen der Zeit als Quelle theologischer Erkenntnis mit einbezieht und einem Grundlagentext, der einen Paradigmenwechsel in der katholischen Sexualmoral einleitet.
Nicht zu Unrecht wurden die Diskussion und die Verabschiedung des Grundtextes „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ als Sternstunde der Synodalversammlung bezeichnet. Menschliche Sexualität wird in diesem Papier „als von Gott geschenkte, grundsätzlich positive Lebenskraft“ bezeichnet, als „wesentlicher Teil der personalen Identität jedes Menschen und seiner Lebensgestaltung“.
Ob das den Relevanzverlust der Kirche aufhalten kann? Die Menschen von heute nehmen schon lange viele kirchliche Aussagen nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis. Aber vielleicht sind all diese Wendepunkte der Beginn von neuen Narrativen, wie es Konstantin Bischoff im Plenum nannte, die die Kirche so dringend braucht.
Trotz aller positiven Eindrücke bleiben für mich weiter Fragezeichen:
Wenngleich der Prozess wichtig ist, darf nicht vergessen werden, dass Kirche den Auftrag hat, die Gegenwart Gottes bei den Menschen spürbar und erlebbar zu machen – nicht mehr und nicht weniger. Dazu braucht es neben all den wichtigen oben genannten Debatten ganz neue Wege, die uns heute vielleicht unglaublich vorkommen.
Die Worte von Johanna Beck und Kai Christian Moritz, Sprecher:innen des Betroffenenbeirats, fassen für mich zusammen, was zu tun ist. Nach den jüngsten erschreckenden Nachrichten zum Missbrauch aus Frankreich, gibt es dazu keine Alternative:
„Wir sind auf dem Weg, aber! […] Diese Kirche kann, ja darf nicht so bleiben. Sie MUSS sich ändern um nicht wirkungslos zu sein. Sie MUSS ihre dunklen Missbrauchsseiten grundlegend aufarbeiten, sie MUSS Betroffene angemessen entschädigen. Sie MUSS ihre missbrauchsbegünstigenden Strukturen reformieren und sie muss ihren – per se guten, aber von Geröll, Schlacken und Sedimenten überlagerten – Markenkern wieder ‚freischaufeln‘, um so die Botschaft wieder befreiter, gegenwärtiger und glaubwürdiger vermitteln zu können und nicht einfach nur redundant zu sein.“