Sinus-Milieus sind der „Goldstandard“ der Zielgruppenorientierung. Im Oktober 2021 hat das Sinus-Institut sie wieder neu definiert. Das hat Auswirkungen auf eine zeitgemäße Erwachsenenbildung.
Unsere Welt verändert sich in nie dagewesenem Ausmaß. Wie gehen Menschen mit Veränderungen um, und wie kann Bildung helfen, dass Menschen sich in einer sich immer schneller verändernden Welt orientieren? Das ist eine Grundfrage, die sich Erwachsenenbildner:innen stellen. Dazu bedarf es immer wieder eines Blicks darauf, wie Menschen die Welt wahrnehmen, wie sie leben, welche Werte und Wertmaßstäbe sie haben.
Schon seit vier Jahrzehnten untersucht das Institut Sinus die „Welt der Menschen“. Schon seit Jahren ist die so genannte Kartoffelgrafik mit den zehn Milieus in Deutschland eine Orientierung für zielgruppenorientierte Erwachsenenbildung. Im Oktober 2021 hat Sinus nach über zehn Jahren ein neues Modell vorgelegt, das Veränderungen und Verschiebungen in der Gesellschaft deutlich macht.
Die berühmte "Kartoffelgrafik" der Sinus-Milieus in Deutschland 2021: Das postmaterielle Milieu ist zurück, die Bürgerlichen rücken aus der Mitte, und neu ist das Neo-Ökologische Milieu.
Zurück ist das Postmaterielle Milieu, das zuletzt in ein Liberal-Intellektuelles und ein Sozio-Ökologisches Milieu aufgeteilt war. Die Mitte der Gesellschaft bleibt aufgeteilt in zwei Milieus: das Nostalgisch-Bürgerliche Milieu, das sich zwar als Mitte der Gesellschaft versteht, aber aus der Mitte abgerückt ist, und das Adaptiv-Pragmatische, das nun ins Zentrum rückt. Festzustellen ist, dass gerade die „älteren“ Milieus mit der zunehmenden Komplexität und Digitalisierung nicht mehr Schritt halten können.
Die Lebens- und Wertewelten driften weiter auseinander: Während der statusoptimistische Teil sich modernisiert und nach oben blickt, sieht der größere, nach Harmonie strebende Teil „seinen Lebensstil und seine Prinzipien gesellschaftlich entwertet, zieht sich verbittert zurück und grenzt sich verstärkt nach unten und nach oben ab“ (Sinus).
Andererseits sind Nachhaltigkeit, Diversity und Resilienz zu neuen Leitwerten geworden. Neu ist das Neo-Ökologische Milieu. Es ist, wie es Sinus beschreibt, „ein Zukunftsmilieu, das sich neu formiert hat. Neo-Ökologische sind Treiber der globalen Transformation. Für sie hat Nachhaltigkeit einen progressiven Fokus. Sie sind pragmatisch und kompromissbereit in der Umsetzung und konzentrieren sich auf nicht mehr verhandelbare Kernpositionen, anstatt von einer besseren Welt zu träumen. Bei all den planetaren Herausforderungen behalten sie Optimismus und Aufbruchsmentalität. Sie sehen sich selbst als progressive Realisten und sind offen für neue Wertesynthesen: Disruption und Pragmatismus, Erfolg und Nachhaltigkeit, Party und Protest. Das Neo-Ökologische Milieu ist frei, unabhängig und unkonventionell.“ Es ist ein Milieu, das für die Erwachsenenbildung höchst interessant ist.
Beim Fachforum Erwachsenenbildung am 6. Juli 2022 können Sie die zehn Milieus näher kennenlernen. Wie muss eine zeitgemäße Bildung, orientiert an den neuen Milieus, aussehen? Dies diskutieren wir mit Marc Calmbach, Geschäftsführer von Sinus, und der Pädagogik-Professorin Jutta Reich-Claassen.
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Text: Dr. Claudia Pfrang
Dieser Beitrag erschien im DA-Magazin Ausgabe 2-2022.
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Das Fachforum Erwachsenenbildung 2022 stellt das aktuelle SINUS-Milieumodell vor und reflektiert seine Relevanz für die Erwachsenenbildung. Kursort ist die Katholische Akademie, Kardinal-Wendel-Hausv in München sowie online.