In ihrem Director's Blog ermutigt Dr. Claudia Pfrang, die Sehnsucht als treibende Kraft für positive Veränderungen zu nutzen und Hoffnung inmitten der Herausforderungen des Lebens zu bewahren. Liegt nicht die Faszination des Weihnachtsfestes gerade in dieser Sehnsucht, die in dunklen Zeiten an Bedeutung gewinnt? Der Wunsch, Weihnachten zu erleben, wird als Symbol der Hoffnung betrachtet, dass trotz aller Schwierigkeiten Neuanfang und Hoffnung möglich sind.
Wann hatten Sie das letzte Mal ein Baby auf dem Arm? Es lässt kaum jemanden kalt, wenn es uns gar mit einem Lächeln auf dem Gesicht verzaubert. Vielleicht macht es die Faszination des Weihnachtsfestes aus, dass viele von uns diese Verzauberung durch ein kleines Kind im Arm kennen. Ist es doch ein Wunder, ein Geschenk. Wen verzücken nicht staunende Kinderaugen vor dem Kerzenschein eines Christbaumes? Wer erinnert sich nicht gerne daran?
„Jedes neugeborene Kind bringt die Botschaft, dass Gott sein Vertrauen in die Menschheit noch nicht verloren hat“, so bringt es der bengalische Dichter Rabindranath Tagore auf den Punkt. Und so dürfen Christ:innen trotz allem, was an Weihnachten gerade in diesen Zeiten von Krieg und Krisen bedrückt, in dieser Botschaft von der Geburt dieses Kindes im Stall von Bethlehem daran glauben: Gott schenkt sein Vertrauen. Er sehnt sich nach dem Menschen, wie es viele Mystikerinnen und Mystiker ausdrücken. Und weckt damit die Sehnsucht des Menschen. Eine Sehnsucht nach mehr, die selbst nie vollkommen gestillt werden kann.
An Weihnachten bestaunen wir jedes Jahr neu dieses Kind in der Krippe. Und vielleicht liegt die Faszination dieses Festes gerade in dieser Sehnsucht. Je düsterer die Zeiten werden, umso stärker. „Ich möchte noch einmal Weihnachten erleben.“ Ein Satz, den schwerkranke und alte Menschen oft sagen. Weihnachten zu erleben, heißt Hoffnung zu haben, dass nicht alles verloren ist, dass Hoffnung und Neuanfang möglich sind, ganz egal wie sehr die Welt oder das eigene Leben verdunkelt sind.
In vielen Gesprächen spüre ich gerade in diesen Tagen eine große Sehnsucht vieler Menschen. Die Sehnsucht nach Frieden, nach Heimkommen und Zuhause sein. Die Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit, Halt und Trost. Die Sehnsucht nach Frieden in der Welt und Sehnsucht danach, dass alles besser werden möge.
Sehnsucht beschreibt ein ungestilltes, inniges und schmerzliches Verlangen nach jemandem oder etwas. Sie lebt von der Hoffnung, dass das, wonach wir uns sehnen, eintritt. Sie kann uns Kraft und Orientierung geben, uns für das Ersehnte und Erhoffte einzusetzen und es zu erreichen. Sie kann aber auch übergroß werden, zu einer Sucht, die uns die Realitäten nicht mehr sehen lässt. Dann kann sie zu einer Leidenschaft werden, die Leiden hervorbringt. Nicht selten wird auf diese Weise auch das Weihnachtsfest zu einer großen Enttäuschung. Wenn die Erwartungen und Ansprüche aneinander - oft auch unausgesprochen – übergroß und fern der Realität sind, wenn wir uns vom Fest mehr ersehnen, als unsere Beziehungen leisten können. Und doch: Auch wenn Sehnsucht in die Enttäuschung führen kann, dürfen wir sie uns nicht nehmen lassen. „Alles beginnt mit der Sehnsucht.“ (Nelly Sachs)
Sehnsucht
leuchtende Kinderaugen
ein Lächeln im Gesicht
Sehnsucht und Hoffnung nähren
dass nicht alles verloren ist
aber vieles möglich wird
mit der Sehnsucht im Herzen
im Vertrauen darauf
dass Gott kam
um zu bleiben
da zu sein
In den Höhen und Tiefen
CLAUDIA PFRANG
Alle Jahre wieder dürfen wir neu die Sehnsucht nähren: Nicht alles, aber doch manches wird gut. Jedes Jahr dürfen wir aufbrechen, dieses Kind zu suchen und zu finden. Im Hier und Heute. Gott kam, um zu bleiben. Er ist mit uns unterwegs, ist in allen Höhen und Tiefen für uns da. Wir können es spüren, wenn wir gemeinsam mit anderen durch diese Zeiten unterwegs sind. Weil es Menschen gibt, die mit mir lachen und weinen und die mich spüren lassen: Du bist nicht allein.
Lassen wir uns an diesen Tagen der Weihnacht von den Kinderaugen verzaubern, lassen wir die Sehnsucht zu und uns von ihr stärken. Die Sehnsucht danach, dass Gott weiter Vertrauen in uns hat. Diese Sehnsucht kann uns Leidenschaft schenken, die Welt da zu verändern, wo wir es können. Mit unseren Möglichkeiten allein gelingt es nicht, Berge zu versetzen oder die Welt zu retten, doch mit dieser Sehnsucht im Herzen können wir neue Horizonte entdecken und mutig neue Wege gehen. Wäre das nicht eine Hoffnung für das neue Jahr?
Ihre Claudia Pfrang