Die Kirche steckt in der Krise, das steht fest. Der Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust schreitet weiter fort, nicht allein aufgrund des Missbrauchsskandals. Was muss sich ändern, damit Kirchentransformation passieren kann? Dr. Claudia Pfrang beleuchtet im Auftakt-Blogbeitrag zum neuen Saisonthema das Unglaubliche – und lädt zum Einmischen ein.
Unglaublich! Diesen Ausruf habe ich in der vergangenen Woche oft gehört und auch mehrmals selbst ausgesprochen.
Unglaublich sind die Vorgänge um Bischof Heße und Erzbischof Woelki. Unglaublich, welch deutliche Worte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, an seine Mitbrüder im Bischofsamt richtet.
Er spricht vom „Misslingen evangelisierender Kommunikation“, zu dem die Bischöfe beigetragen haben. Davon, dass alle Themen, die dieses Versagen aufzeigen, auf dem Tisch des Synodalen Weges liegen: Macht und Gewaltenkontrolle in der Kirche, eine neue Kultur von Leitung und Priestersein, Frauen in Diensten und Ämtern, der Wert einer orientierenden Morallehre. Man darf auf die Diskussionen dazu in den nächsten Tagen wirklich gespannt sein.
Bätzing fordert „den Geist und den Mut zur Umkehr. Kehrt um! Denkt neu! Das ist in der Tat mehr und anders als bloß etwas Anpassung und Fortschreibung. Aber alles darunter wird der Wucht des auslösenden Skandals und der Dramatik der Entkirchlichung nicht gerecht.“
Ja, es ist unglaublich. Und man hat das Gefühl, dass die von Bätzing genannte Wucht des Missbrauchsskandals, aber auch die „Dramatik der Entkirchlichung“ weder bei vielen Würdenträgern in Deutschland noch in Rom angekommen sind. Die Austritte nehmen zu und es sind nicht mehr nur Menschen, die sich von der Kirche entfremdet haben, sondern gerade die Hochengagierten, die der Kirche den Rücken kehren.
Kirche ist an einem Kipppunkt, so beschreiben es Rainer Bucher und Hans Joachim Sander auf feinschwarz.de, denn der Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust aufgrund des Missbrauchsskandals wird weitergehen. Die Kirche „kann das weder aufhalten noch vermeiden, weil sie die Taten anerkennt und ebenso das Vertuschen aufklären lassen muss. Und jeder Erkenntnisschritt bedeutet einen weiteren Schub im Glaubwürdigkeitsverlust. Je glaubwürdiger sie aufklärt und aufklären lässt, desto größer der Schub.“
Es ist der unglaublichen Entschlossenheit und Vernetzung vieler Christinnen und Christen vor Ort – wie z.B. den Frauen bei Maria 2.0 mit ihren kreativen Interaktionen – zu verdanken, dass trotz alledem Kirche glaubwürdig bleibt und vor Ort das geschieht, was Auftrag der Kirche ist: die Sorgen und Ängste, Hoffnungen und Freuden der Menschen aufzunehmen und durch das eigene Leben zu bezeugen, dass Gott mit den Menschen unterwegs ist. Es gibt so wundervolle Projekte wie www.kirchenkrise.de, welches die Fragen der Menschen ernst nimmt, ohne sofort eine reflexartige Antwort zu geben.
Letztlich steht mit der Glaubwürdigkeit der Kirche noch unglaublich viel mehr auf dem Spiel, nämlich „die Glaubwürdigkeit von dem, was über Gott zu sagen ist“, wie es Bucher und Sander treffend benennen.
Als katholische Einrichtung müssen auch wir uns mit diesen Kipppunkten auseinandersetzen und können uns dem Glaubwürdigkeits- und Relevanzverlust nicht entziehen. Unser neues Saisonthema „Die UNGLAUBLICHE Kirche“ nimmt all diese Unglaublichkeiten in den Blick.
Rainer Bucher und Hans Joachim Sander nennen als letztes ihrer sieben Postulate für eine Kirche, die nicht in die Bedeutungslosigkeit kippt: „Vertrauen, Freiheit und selbstrelativierende Demut.“ In diesem Sinne mischen wir uns ein und wirken mit in und an dieser unglaublichen Kirche.
Ihre Claudia Pfrang