Der Jesuit Jörg Alt SJ ist Christ und Umweltaktivist. In aufsehenerregenden Aktionen protestiert er mit der „Letzten Generation“ für mehr Klimagerechtigkeit. Das passt für manche nicht zusammen – für Alt bedingt es sich gegenseitig. Im Kurzinterview verrät er uns seine Position zum Klimaaktivismus, Klimaschutz und zur Klimakatastrophe
Domberg-Akademie: Warum braucht es aus lhrer Sicht Klima-Aktivist:innen – Sie könnten ja auch demonstrieren oder die Menschen anderweitig aufklären?
Jörg Alt: Gerade mein Fall belegt ja bestens, was in den letzten Jahrzehnten an Diskussionen, Publikationen oder Petitionen versucht wurde, um Problembewusstsein und Handlungsdruck zu erhöhen. Ich mache das, weil mir nichts Besseres mehr einfällt. Deswegen pflege ich in jedem Vortrag zu sagen: Wenn mir jemand etwas Besseres sagen kann, das nicht schon jahrzehntelang vergeblich versucht wurde und das garantiert, dass wir anhand der schrumpfenden Handlungszeitfenster angemessen vorankommen – her damit, und ich mache es!
Welche drei konkreten Klimaschutz-Maßnahmen würden Sie sofort in Deutschland umsetzen, wenn Sie es könnten?
Allein ein Tempolimit auf Autobahnen würde jährlich sieben Millionen Tonnen CO2 einsparen. Es kostet nix und wäre sofort umsetzbar. Sodann brauchen wir weniger Auto-Individualverkehr und mehr öffentlichen Personennahverkehr. Das bedeutet eine sofortige Umwidmung aller Gelder, die in den Straßenbau fließen würden, hin zur Schiene. Entsprechend müssten die Ausgaben in den öffentlichen Haushalten umgeschichtet werden. Wir brauchen sofort einen Umstiegsplan für öffentliche Subventionen, weg von fossilen Energieträgern hin zum Ausbau der Erneuerbaren. Und: Jeder lebensfähige Wald, jedes wiedervernässte Moor ist ein besserer CO2-Senker als Milliardeninvestitionen in irgendwelche Technologien, die keinesfalls innerhalb der verbleibenden Zeitfenster wirksam eingesetzt werden könnten.
Dr. Jörg Alt SJ wird am 1. Juli 2023 beim 4. Diözesanen Nachhaltigkeitstag des Erzbistums München und Freising zu Gast sein. Zu diesem Thema empfehlen wir Ihnen außerdem die Zoom-Veranstaltung „Ziviler Ungehorsam – Zur Theorie und Praxis einer umstrittenen Protestform“ am 22.06.2023.
Was ist das positivste Szenario für die Erde in 100 Jahren, das Sie für realistisch halten?
Schaut man auf das, was Politik aktuell faktisch umsetzt und macht, sind wir auf Kurs in eine Welt, die durchschnittlich 2,7 bis 3 Grad heißer sein wird. Das bedeutet Hunger für Millionen und Flucht aus unbewohnbaren Gebieten von Milliarden. Da bleiben nicht viele positive Szenarien, außer dem verzweifelten Wunsch von UN-Generalsekretär António Guterres und zahlloser Wissenschaftler:innen: Jedes Zehntelgrad, das wir verhindern können, lohnt jeden Einsatz.
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Interview: Kathrin Steger-Bordon
Bild Copyright: jesuitenweltweit
Dieser Beitrag erschien im DA-Magazin Ausgabe 2-2023.
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