Fürchte dich nicht! Ich bin mit dir! Niemand soll dir schaden! Beim Drahtseilakt des Lebens solchen Zuspruch zu erfahren, wäre eine echte Stärkung in Konflikten, schreibt Dr. Claudia Pfrang. Und vielleicht zeigt sich diese Zusage Gottes uns heute auf ungeahnte Weise ... Teil 2 der Blog-Reihe im Advent „Mit Verheißungen leben: Sterne am Horizont“.
Nach seinen Aufenthalten in Thessaloniki und Athen kommt Paulus nach Korinth. Mit viel Verve verkündigt er dort das Evangelium. Er hat, wie die Apostelgeschichte erzählt, Erfolg, aber nicht bei allen stößt seine Verkündigung auf Gegenliebe. Laut Apostelgeschichte regte sich unter den jüdischen Zuhörenden energisch Widerspruch. Eines Nachts aber hat Paulus eine Vision, in der Gott zu ihm sagt: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.“ Ein Zuspruch an Paulus, der für ihn, so kann ich mir vorstellen, fundamental war bei all dem Gegenwind, den er erfuhr. Fundamental im buchstäblichen Sinne: Es gab ihm festen Boden unter seinen Füßen. Die Apostelgeschichte berichtet im weiteren Verlauf davon, dass man ihn in Korinth auch noch vor den Richterstuhl brachte und wegen „Verführung zu einer Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstößt“ anklagte. (Apg 18,13)
Fürchte dich nicht! Ich bin mit dir! Niemand soll dir schaden! Drei Vertrauensworte, die Gott Paulus zuspricht. Sie sind wie ein Netz, das Gott aufspannt und das Gottvertrauen geben soll, so manchen Drahtseilakt des Lebens zu bestehen. Aber noch mehr: Sie sprechen Mut zu, zu reden und nicht zu schweigen.
Paulus soll sich nicht fürchten, von dem zu verkünden, dem er in Damaskus begegnet ist und von dem er Zeugnis ablegen soll: Jesus Christus.
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Manchmal fühle ich mich unsicher im Hochseilgarten des Lebens. Bei all den Herausforderungen, die sich mir stellen, wünschte ich mir, dass mir, wie Paulus, eine Vision widerfahren würde, in der mir Gott zusagt: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.“ Was wäre das für eine Stärkung in Konflikten, bei denen ich mit meiner christlichen Haltung angefragt bin, mich einzusetzen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung! Was wäre das für ein Zuspruch für die Herausforderungen, die mehr verlangen als „Augen zu und durch“.
Im Hochseilgarten des Lebens
ein Netz vorfinden
das gibt Sicherheit und Vertrauen
sich vorzuwagen
Konflikten nicht auszuweichen
Rede und Antwort zu stehen
von der Hoffnung, die in mir ist
in der Zuversicht zu leben
ICH BIN BEI DIR
--- Claudia Pfrang
Bin ich nicht in vielen Situationen gefragt, zu reden und nicht zu schweigen, wo gerade Autoritäten eine „Augen-zu-und-durch-Mentalität“ haben? Gilt es nicht angesichts der Dramatik der Situation, der immer kleiner werdenden Handlungsfenster und der bisherigen unzureichenden politischen Anstrengungen, zivilen Ungehorsam z. B. bei der Klima-Krise zu leisten und die Aktionen der Klimaaktivist:innen zumindest solidarisch zu unterstützen, wie es vor Kurzem der Appell an die kirchlichen Verantwortungsträger:innen getan hat? Und vielleicht braucht es noch mehr Risiko. Und dann die Verheißung: Niemand soll dir schaden!
Bis in die Gegenwart hinein ist – wie der Appell zurecht betont – ziviler Ungehorsam inspiriert durch die Erinnerung an Prophet:innen und das Beispiel Jesu ein Bestandteil christlicher Praxis. Wäre nicht auch in der Kirche, wie der Moraltheologe Daniel Bogner fordert, von den Bischöfen bis zu den Gläubigen Ungehorsam gefragt, um endlich notwendige Reformen auf den Weg zu bringen?
Das sind die großen Fragen unserer Zeit, aber auch in den vielen Herausforderungen des Alltags ist uns zugesprochen: Fürchte dich nicht! Ich bin bei dir! Niemand soll dir schaden! Hab Mut und rede!
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesen Tagen und Wochen spüren, dass Gott da ist und er uns alle behütet. Mögen Sie daraus Mut schöpfen, zu reden und nicht zu schweigen, wo Sie als Person gefordert sind.
Vielleicht zeigt sich uns Gottes Zusage nicht in einem Traum, sondern durch Mitstreiter:innen, die mit uns unterwegs sind und sich im Alltag beherzt für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen: die Kollegin, die als Mitglied in einer solidarischen Einkaufsgenossenschaft regional produzierte Lebensmittel unterstützt, der politische Mitstreiter, der sich beharrlich für regenerative Energienetze vor Ort einsetzt, der Kollege, der strukturellem Rassismus in den Behörden durch endlose Gespräche entgegentritt, die Bekannte, die sich um Menschen aus der Ukraine kümmert, die Freundin, die sich bei der Tafel engagiert und soziale Ungleichheit in der Stadt immer wieder vor Augen führt. Sie alle reden und schweigen nicht.
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Text: Dr. Claudia Pfrang
Können wir bei all den Hiobsbotschaften der heutigen Zeit das Gute um uns noch wahrnehmen? Der Advent ist die Zeit, nach dem Funken Licht im Dunkel Ausschau zu halten, sagt Dr. Claudia Pfrang. Die Verheißungen der Bibel sind dabei Sterne am Horizont, die uns leuchten – wenn wir uns darauf einlassen.