Teilhabe, Bildung, Gesundheit, Wohnraum, Macht: Zugänge befördern Menschen, verwehrte Zugänge behindern sie – oft ganz existenziell. Im Director’s Blog zum Start des neuen Saisonthemas erläutert Dr. Claudia Pfrang, warum wir uns alle um eine reichere Zukunft bringen, wenn wir soziale Ungleichheit hinnehmen.
Für alles braucht man heutzutage einen Zugang: Mein Handy verlangt in sicheren Abständen eine PIN, sonst kann ich auf nichts zugreifen. Meine DB-App braucht einen Zugangscode, wie auch meine Buchbestellung beim lokalen Händler ebenfalls mein persönliches Passwort verlangt. Jedes Mal bin ich erleichtert, wenn ich meine zugehörige PIN noch richtig erinnere oder mein Passwort nicht ständig vertippe, weil es komplex sein muss. Eröffnet mir das richtige Passwort doch ein Mehr an Optionen oder ermöglicht es mir, dass ich meinen Bestellvorgang ohne Hindernisse abschließen kann. Zugänge werden vor oder nach einer Operation in der Medizin gelegt, damit Flüssigkeiten leichter abfließen oder Medikamente zugeführt werden können, damit der Heilungsvorgang im Körper sich leichter vollziehen kann. Manchen Zugang habe ich also in der Hand, manch anderen gewähren mir andere.
Zugänge befördern Menschen, verwehrte Zugänge behindern sie – oft ganz existenziell. Menschen bekommen aufgrund ihrer Hautfarbe keine Wohnung, Menschen mit geringem Einkommen können am gesellschaftlichen und kulturellen Leben oft nicht teilhaben, und immer noch bestimmt die soziale Herkunft der Eltern die Bildungsbiografie – trotz aller Durchlässigkeit im deutschen Schulsystem. In der Corona-Zeit wurden gerade diese Ungleichheiten noch offensichtlicher. Während manche Eltern auf vielfältige Ressourcen zurückgreifen und ihre Kinder im Homeschooling unterstützen konnten, war das anderen aus verschiedensten Gründen nicht möglich. Hier sind erhebliche Rückstände zu beklagen, die etliche Kinder noch lange beeinträchtigen werden.
Mit unserem Saisonthema „Verwehrte Zugänge“ möchten wir den Finger in diese Wunde legen, differenziert und zugleich pointiert diese Ungleichheiten analysieren. Ungleichheit ist zwar – wie Thomas Steinforth in unserem gerade eben erschienenen Magazin schreibt – nicht per se ungerecht. Sie ist es aber immer dann, wenn sie die allen Menschen gleichermaßen zukommende Menschenwürde verletzt. Ungerecht ist es auch, wenn die ungleiche Verteilung von Gütern und Zugangschancen den Benachteiligten das Gefühl vermittelt, nicht nur weniger zu haben, sondern weniger wert zu sein.
In der Reihe "Selbst schuld? Warum soziale Ungleichheit uns alle angeht!" beleuchten wir verschiedene Dimensionen von sozialer Ungleichheit, die heute schon nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens negativ beeinflusst. Sie untergräbt gesellschaftlichen Zusammenhalt, verletzt aber auch den:die Einzelne:n. Sie verwehrt Zugänge zu Teilhabe, Bildung, Gesundheit, Wohnraum, Macht, die sie anderen gewährt.
Leben in Fülle
für ALLE
Das braucht
Zugänge
Für alle und alles
bedingungslos
Damit alle
Gut leben können
--- Claudia Pfrang
Auch unsere Arbeit in der Domberg-Akademie bleibt davon nicht unberührt: Auch hier gilt es, sich der verwehrten Zugänge bewusst zu werden und die Hürden in den Blick zu nehmen: in den Angeboten, im Ort, in der Preisgestaltung. So möchten wir zum Beispiel mit einem solidarischen Bezahlmodell Zugänge schaffen und zusammen mit Kooperationspartner:innen Menschen Bildungsangebote ermöglichen, die sonst vielleicht nicht zu uns kommen würden.
Wenn die, die sinnbildlich „drinnen“ sind, Zugänge schaffen für Menschen, die „draußen“ sind, kann das für alle ein Gewinn sein. Wir erhalten Einblick in neue Lebenswelten und andere Denk- und Lebensweisen, was letztlich zu mehr Verständnis füreinander führt. Dazu braucht es in einer Gesellschaft, die sich nicht nur mehr und mehr ausdifferenziert, sondern auch separiert, unabdingbar Menschen, die sich dafür einsetzen, dass biblisch gesprochen alle ein „Leben in Fülle“ führen können. Es braucht Begegnung, die gegenseitiges Kennenlernen und dadurch Verstehen ermöglicht. Anders gesagt: Wenn wir uns gemeinsam für Chancengleichheit und Menschenwürde einsetzen, gestalten wir eine reichere Zukunft für alle.
---
Text: Dr. Claudia Pfrang
Was macht soziale Ungleichheit mit Menschen? Und wo verstärken Systeme die Ungleichverteilung von Vermögen und Chancen, verriegeln Türen? Im Saisonthema "Verwehrte Zugänge" beleuchten wir die soziale Schere, die Betroffenen und schlussendlich der gesamten Gesellschaft schadet.
Die Frage, wie soziale Ungleichheit uns um eine reichere Zukunft bringt, steht im Fokus der neuen Ausgabe des DA-Magazins rund um unser Saisonthema "Verwehrte Zugänge". Außerdem teilen wir auf den Themenseiten wie immer spannende Berichte, Meinungen und Ausblicke unseres Bildungsteams und stellen Ihnen das aktuelle Programm der Akademie im Frühling und Sommer vor. Digital oder per Post in Ihren Briefkasten!