Die letzten Dürrejahre genauso wie die jüngsten Flutkatastrophen und Starkregen-Ereignisse zeigen auf, wie klimatische Veränderungen schon in vollem Gange sind und welche Folgen nach wissenschaftlicher Erkenntnis zunehmen. Wir müssen mutig umsteuern und wieder mehr demütig Teil des Ganzen sein, so das Plädoyer von Dr. Claudia Pfrang.
Pures Entsetzen hinterlassen die Bilder der letzten Wochen. Sintflutartige Regenfälle haben eine Schneise der Verwüstung geschlagen. Menschen ohne Hab und Gut, Menschen, die Todesängste ausgestanden haben, Menschen, die Familie und Freunde verloren haben, bleiben zurück. Genauso bleiben die Fragen, die sich mit dieser Katastrophe, die häufig mit einer Apokalypse verglichen wurde, auftun: Wie hätte man früher warnen können? Was hätte präventiv getan werden können? Wie oft wollen wir noch „überrascht“ sein, wenn die Prognosen eintreffen?
Die Wissenschaft ist sich seit langem einig, dass extreme Wetterereignisse - wie wir sie in den letzten Tagen in Deutschland erlebt haben - zunehmen werden. Vor allem auf der Südhalbkugel wird es zu enormen Temperatursteigerungen kommen, die tödlich sind. Schon jetzt gibt es Regionen, die man nicht mehr bewohnen kann. „Auch die sehr hohe und immer weiter wachsende Zahl von Menschen, die durch die Klimakrise vertrieben werden, [wird] schnell zu einer großen Not unserer Zeit, von der fast jeden Abend auf unseren Bildschirmen berichtet wird und die globale Antworten erfordert“, schreibt Papst Franziskus in seinem Vorwort in den Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen.
In den letzten Wochen haben wir uns in der Domberg-Akademie intensiv mit dem Klimawandel auseinandergesetzt, haben analysiert, nachgefragt und diskutiert. Es bleibt nach wie vor die Frage, die im Untertitel unseres Saisonthemas steckt: Wir wissen alles, aber wie kommen wir zum Handeln? Und über allem schwebt die Frage, die auch Klimaexperten:innen unterschiedlich beantworten: „Können wir die Welt überhaupt noch retten?“
Mein Sohn sagt: „Nein!“ Und das erschreckt mich, möchte ich doch, dass meine Enkel und Urenkel diese Erde noch bewohnen können. Und so will ich mich von diesem Nein nicht entmutigen lassen und bleibe hartnäckig: Wie gelingt ein kompletter Reset des Systems? Wie können wir zu einer Klimaresilienz kommen? Wie können wir uns dieser Megakrise ernsthaft stellen?
Claudia Pfrang
„Jetzt nach den Unwettern, wird darüber diskutiert, ob die Kritik an den mangelhaften Warnungen von der Klimakrise ablenken soll oder umgekehrt. Man könnte auch sagen, dass beides zusammen von einer unerwünschten Erkenntnis ablenkt: Es gibt keine Prävention, ohne dass wir unsere Art des naturzerstörerischen Wirtschaftens und Konsumierens gehörig verändern“, schreibt Bernd Ulrich in der Zeit. Wir werden das Klima nicht retten, wenn wir nicht die viel massivere Krise des Mensch-Natur-Verhältnisses angehen. Dazu braucht es einen Bewusstseinswandel. Mein Sohn brachte es in unserer Diskussion mit dem Satz „immer demütig bleiben“ auf den Punkt. Nicht gegen die Natur leben, sondern mit ihr. Sich als Teil des Ganzen verstehen und nicht als Krone der Schöpfung, die sich einfach alles nimmt und erlaubt ohne Rücksicht auf Verluste.
Aus dieser Demut wachsen hoffentlich die Entschlossenheit und der Mut, den Lebensstil zu verändern und gegen die Gleichgültigkeit in Gesellschaft und Politik anzugehen. „Weniger in die Natur eingreifen, schonungsvoller mit ihr umgehen, kenntnisreicher und einmal keinen Profit daraus ziehen wollen“ – ist, wie Bernd Ulrich schreibt, das Gebot der Stunde.
Alleine werden wir die Welt nicht retten, es braucht noch viel mehr die Verbundenheit aller Generationen und das entschiedene, vernetzte Eintreten vieler Engagierter, der NGOs, der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Wirtschaft, aber insbesondere den Mut der Politik, nicht nur bis zu den Wahlen zu denken. Der Klimawandel wird nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt weltweit zu schaffen sein. Dies ist eine Zumutung für uns alle, aber wir müssen es tun, denn sonst werden wir mit viel einschneidenderen Einschränkungen leben müssen. Auch wir als Domberg-Akademie möchten dazu unseren entschiedenen Beitrag leisten – mit unserem neuen Bildungsbereich „Umwelt und Nachhaltigkeit“ und durch engagierte Netzwerkarbeit.
Demut und Mut wünsche ich uns allen, egal ob in Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft. Demut, sich als Teil der Natur zu verstehen. Vielleicht ist die kommende Sommerpause auch eine Gelegenheit für uns, dafür sensibler zu werden. Und hoffentlich erwächst daraus Kraft, Mut und Entschlossenheit, jetzt zu tun, was wir tun müssen. Wir haben nur diese eine Erde. Es gibt keinen Planeten B.
Ihre Claudia Pfrang